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Frühlingsboten

Frühlingsboten


# k.eck 12
Veröffentlicht von Katrin Heise am Dienstag, 2. Mai 2023, 16:56 Uhr

Der Frühling ist ins Land gezogen. Bisher hatte ich das gar nicht bemerkt. Sei es, weil ich wirklich beschäftigt war, oder das Wetter so ungemütlich kalt, grau und verregnet, das man kaum einen Fuß vor die Tür setzen mochte. Aber seit dem letzten Wochenende wird es langsam, oder sagen wir besser: Explosionsartig!

Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, die Blätter scheinen alle gleichzeitig aus den Knospen hervorzubrechen, Bäume und Büsche erstrahlen in Blütenpracht. Jetzt, wo ich in meinem Garten stehe und mein Gesicht der Sonne entgegenstrecke merke ich erst, wie sehr ich mich danach gesehnt habe.

Aus der Ferne höre ich zwei Wildgänse mit diesem typischen Tröten herannahen. Als sie mit lautem Geschnatter direkt über mir sind, lässt eine etwas fallen. Es klatscht direkt neben mir auf den Boden.

„Hoppala!“ Vor Schreck springe ich ein Stück zur Seite. „Glück gehabt“, denke ich noch, als ich meinen Weg zur Gartenliege fortsetze und den Gedanken beiseite schiebe, dass sich das tröten der Wildgänse irgendwie kurz wie gemeines Gelächter angehört hat.

Auf meiner Gartenliege angekommen setzt absolute Tiefenentspannung ein. Ich bade nicht nur in der wärmenden Sonne, sondern auch im herrlichen Singsang der verschiedensten Vögel. „Sie besingen und bejubeln den Frühling,“ denke ich gerade schmunzelnd, als sich mein elfjähriger Sohn neben mir auf die Gartenliege fallen lässt.

„Ist das Gezwitscher der Vögel nicht herrlich?“, frage ich ihn, “Wie sie die Natur besingen…“

„Also das machen sie nicht direkt, Mama“, erwidert mein Sohn in sachlichem Ton. „Wie bitte? Wie meinst du das?“ frage ich, mit einem halb geöffneten Auge in die Sonne blinzelnd.

„Wir behandeln das Thema gerade in Bio.“, setzt er mich in Kenntnis. „Das Singen der Vögel ist nichts weiter, als territoriales Verhalten. Sie erheben mit ihrem Gesang Anspruch auf ihr Revier, warnen Artgenossen, nicht näher zu kommen bzw. locken potentielle Brutpartner an.“

„Aha“, kann ich da nur noch entgegnen. Eine Weile liegen wir schweigend da.

Der Gedanke des territorialen Verhaltens der Vögel spinnt sich in meinem Kopf weiter…

„Meinst du wir können ihren Gesang übersetzen?“, frage ich meinen Sohn.

Der blickt mich irritiert an.

Derweil stimmt ein Vogel im Nachbarbaum sein Lied an…

„Hey - hey du da! Ja du!! – Verzieh dich!!! – sonst zieh' ich dir eine!“

Mein Sohn steigt sofort als Übersetzer für die zweite Vogelstimme ein:

„Bleib mal geschmeidig! Hier drüben ist mein Baum, Alter!“

Ich: „Pass auf du Null, ich mein's ernst! Mach dich selten oder du hast gleich keine Federn mehr! – Oh, holla Chica!! Komm auf meinen Ast, so ein prächtiges Nest hast du noch nicht gesehen!“

Sohn: (pfeift) „Bella komm zu mir! – Ich trage dich auf Flügeln und füttere dich den ganzen Tag! – Lass bloß deine hübschen Krallen von dem schrägen Vogel da – der taugt nichts!“

Ich: „Was sagst du Alter?? Pass auf du – jetzt komm ich rüber!“

Wildes Flügelschlagen erfüllt die Luft, Blätter rascheln…

Eine Ringeltaube gurrt dazwischen: „Ihr kommt hier net rein – ihr kommt hier net rein!“

An dieser Stelle brechen wir die Übersetzung ab, auch um die Privatsphäre der Tiere zu schützen.

Was soll ich dazu noch sagen? Mein Sohn hat mich mit dieser neuen Sichtweise überrascht, meine veralteten, kitschigen Vorstellungen auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht. Ich fühle mich jetzt gebildeter. Aber ich frage mich auch, ob ich jemals wieder vorbehaltlos dem Gesang der Vögel lauschen kann, oder ob ich beim morgendlichen Öffnen der Fenster eher denke: „Schon wieder dieses niveaulose Geschrei da draußen!?“ 

Und während ich ins Haus gehe, um uns etwas zu Trinken zu holen, erinnere ich mich an die beiden Wildgänse. Was für Mistviecher!!

Katrin Heise

PS.: Wenn auch Sie, trotz aller wissenschaftlicher Erkenntnisse, des Vogelgesanges nicht überdrüssig sind, habe ich hier einen Link zu einer tollen Seite, auf der Sie die einzelnen Singvögel anklicken, und ihrem Gesang lauschen können. Es ist nämlich auch wissenschaftlich erwiesen, das Vogelgezwitscher gut für die mentale Gesundheit ist ;-)

DEUTSCHE VOGELSTIMMEN